Was ist Naturrecht?

Was bedeutet die Auffassung, dass sich letztendlich Menschenwürde und andere Werte und Normen aus dem Naturrecht ableiten lassen?

Wenn in der Natur eine moralisch-ethische Grundlage vorliegt, dann diejenige, die in unseren Genen verankert ist. Insofern erheben auch erklärte Naturalisten wie Prof. Bernulf Kanitscheider die Forderung, dass Wertungen und Gesetze jedenfalls nicht gegen das Wesen des Menschen und seine angeborenen Triebe erfolgen soll.

Die Frage ist, ob etwa Dr. Ratzinger eben das meint, wenn er die Menschenwürde auf Naturrecht begründen will. Es stellt sich nämlich die Frage, ob ausgerechnet unser heutiges Verständnis der Menschenwürde sich ausgerechnet in unserer menschlichen Veranlagung wiederfindet: Ich meine nein!

Konsequenzen aus dem Naturrecht
Zur Menschenwürde gehört etwa, dass wir niemanden foltern oder durch Todesstrafe hinrichten, weil die Vernichtung die schärfste Form der Verachtung ist. Gerade dieser Instinkt, einen Mörder zu töten, dürfte aber durchaus in unseren Genen angelegt sein: Die Empfindung einer gerechten Strafe ist instinktiv verankert in den angeborenen Notwehrmechanismen des Menschen. Anders ausgedrückt: Es haben nur die Menschen überlebt, die in der Lage waren, sich in geeigneter Form zu wehren. Da im Anbeginn der Menschheit keine sicheren Gefängnisse vorhanden waren und auch der Unterhalt einen gewissen Wohlstand voraus setzt, entspricht auch heute noch die Tötung eines Mörders dem angeborenen Gerechtigkeitsempfinden der meisten gesunden Menschen.

Dieser Instinkt, den Mörder letztendlich nicht laufen zu lassen und zu töten, ist sehr viel stärker ausgeprägt als dass Mitgefühl gegenüber dem Täter. Das Mitleid bezieht sich in diesem Fall vielmehr auf das Opfer und die Angehörigen, hat also eine ganz andere Richtung.

Die Todesstrafe nicht zu wollen, beruht vielmehr nicht auf Instinkt, sondern ist eine eher intellektuelle Leistung, die aus dem Erkennen der Notwendigkeiten in einer höher entwickelten Gesellschaft entspringt. Die Todesstrafe ist nicht geeignet, durch Abschreckung die Anzahl an Morden zu vermindern. Ebenso setzt das Erkennen, dass bei der Verurteilung zwangsläufig Fehler passieren können, eine nicht instinktgebundene intellektuelle Leistung voraus - nach dem Instinkt wird eben lieber ein Verdächtiger zu viel getötet.

Ebenso kann man sich überlegen, ob nicht die Abneigung gegenüber allem genetisch Andersartigen angeboren ist, die in ihrer schärfsten Form als Rassenhass bezeichnet wird. Unzweifelhaft ist Rassenhass keine intellektuelle Theorie sondern - wie jeder andere Hass - eine Emotion, die nur vom Intellekt und den antrainierten kulturellen Verhaltensweisen unterdrückt wird.

Wollte man aus diesen angeborenen Instinkten Moral und Ethik ableiten wollen, würde man also eine Ethik fordern, die mit den Instinkten der Menschen in Einklang steht und diese nicht wesentlich verletzt, wäre die moralische Legitimation von Todesstrafe und Rassismus die Folge.

Schlussfolgerung
Eine auf Naturrecht gegründete Ethik und Moral kann ein geeignetes Mittel sein, das Überleben der eigenen Art zu sichern. Das Naturrecht wird den Anforderungen einer größeren, entwickelten Zivilisation jedoch nicht gerecht.
 
Wo Instinkt und Emotion mit rationalen Überlegung in Einklang zu bringen sind, muss im Zweifel der Instinkt und die Emotion beachtet werden. In Einzelfällen ist aber gerade gegen den Instinkt zu wertet werten, um nicht rational falsche Wertungen zuzulassen. Die intellektuelle Wertung nach richtig und falsch ist dem Instinkt vorzuziehen, so lange die Einschränkung der Emotionen und Instinkte nicht zu einem Maß der Unerträglichkeit wird oder der Bestand der eigenen Art gefährdet ist.