Laplace zum Thema Determinismus

Definition des Determinismus von Marquis Pierre Simon de Laplace:

„Wir müssen daher den gegenwärtigen Zustand des Weltalls als die Wirkung seines vorherigen und als die Ursache des noch folgenden Zustands betrachten. Gäbe es einen Verstand, der für einen Augenblick alle in der Natur wirkenden Kräfte sowie die gegenseitige Lage der sie zusammensetzenden Elemente kennen würde und zugleich in der Lage wäre, diese Daten der Analysis zu unterwerfen, so würde ein solcher die Bewegungen der größten Weltkörper und des kleinsten Atoms durch ein und dieselbe Formel ausdrücken.Nichts wäre ihm ungewiss und die Zukunft und die Vergangenheit würde offen vor ihm liegen.“ (Marquis Pierre Simon de Laplace, Essai philosophique sur les probabilités, Philosophischer Versuch über die Wahrscheinlichkeit, 1814)

Eine solche rein vorgestellte und damit nicht als existierend behauptete Intelligenz bezeichnet man auch als „Laplaceschen Dämon“. Verfälschungen werden hier insbesondere auch durch diverse Lexika betrieben, die entweder den laplaceschen Dämon nicht als Denkmodell beschreiben oder aber vorgeben, de Laplace hätte behauptet, das Weltgeschehen könne einmal tatsächlich berechnet werden, nicht nur theoretisch. Etwas derartiges hat Laplace nie behauptet. Teilweise entstehen solche Fehler durch Übersetzungsmängel. So ist in der wohl ältesten deutschen Übersetzung von Friedrich Wilhelm Tònnies von 1819 statt „kennen würde“ das Wort „kennte“ benutzt, womit dort aber nicht die Vergangenheitsform gemeint ist, sondern eindeutig Konjunktiv II (Irrealis). Spätere Übersetzungen haben teilweise davon abgeschrieben und schlicht das e gestrichen, weil sie es nicht mehr verstanden haben. Die aktuelle Wikipedia-Version (19.04.2011) zum Thema „Laplacescher Dämon“  verwendet in der Übersetzung zum Beispiel auch den Indikativ. (Dortige Quelle:  O. Höfling: Physik. Band II Teil 1, Mechanik, Wärme. 15. Auflage. Ferd. Dümmlers Verlag, Bonn 1994, ISBN 3-427-41145-1)

Einige Lexika behaupten sogar, der laplacesche Determinismus sei durch die Quantentheorie widerlegt worden. Zu einer solchen Aussage kann man nur kommen, wenn man entweder de Laplace in oben genannter Weise missversteht oder aber die Quantenphysik nicht versteht.


Die Formulierung des laplaceschen Dämons stellt ein Modell dar, um die Wirkungen des Determinismus zu verdeutlichen. Wir können tatsächlich nicht feststellen, was alles ursächlich in einem Geschehensablauf wirkt, sondern wir sehen tatsächlich nur, dass zwei Zustände des Universums aufeinander folgen. Der Rest ist meistens Schlussfolgerung im Rahmen praktischer Relevanz.

Bei der Betrachtung von A->B betrachten wir normalerweise das, was praktisch wesentlich ist. Der Fußgänger ist tot, weil er vom Lastwagen überfahren wurde. Tatsächlich haben auf diesen Sachverhalt auch andere Umstände eingewirkt, auch wenn diese unwesentlich sind. Zwischen Fußgänger, Lastwagen und Erde wirkt etwa die Gravitation (und das ist sogar noch wesentlich, wenn auch nicht für den Sachverhalt relevant).

Was da genau alles wirkt, konnte de Laplace nicht wissen und man kann es heute tatsächlich auch nicht. Im Gegenteil wurde die Aussage des Marquis de Laplace sogar weitgehend bestätigt: Nach unserer heutigen Auffassung ist beispielsweise das Gravitations- und Ladungsfeld auch nur eines einzelnen Elektrons unendlich groß - auch wenn es mit der Entfernung abnimmt.  Auf den Fall mit dem Lastwagen und dem Fußgänger wirkt also sogar noch das letzte Elektron am anderen Ende des Universums ein, auch wenn diese Einwirkung aus unserer Sicht unerheblich ist: Tatsächlich ist sie da, sie wirkt ein. Fußgänger und Elektron ziehen sich an.

De Laplace wollte genau hinaus, dass es zahlreiche Umstände geben kann, die auf einen Ablauf einwirken und dass man eine korrekte Antwort zur Kausalität nur geben kann, wenn man genau und umfassend betrachtet. Die Formulierung, dass zwei Zustände des Universums nacheinander stattfinden und dass man dies als Kausalität bezeichnen sollte, schließt der Definition nach alle unbekannten Umstände ein. Ich halte diese allgemeine Formulierung für das Verständnis der Kausalität für sinnvoll:  Ohne das letzte Elektron am Rande des Universums wäre der Sachverhalt bei umfassender Betrachtung ein anderer! Dieses Verständnis spricht nicht gegen die Beobachtung einzelner Sachverhalte im Labor unter Konzentration auf das Wesentliche und unter Ausblendung der außerhalb eines Versuchsaufbaus liegenden Außenwelt.

Wenn Laplace gesagt haben sollte, dass ein Naturgesetz etwas „vorschreibt“, dann ist dies nicht anders zu verstehen, als wir heute Naturgesetze verstehen: Naturgesetze sind die in Sprache oder Formeln gefassten Beschreibungen der Beschaffenheit der Natur.

Die Laplacesche Beschreibung denkt sich ein jenseits des Universums und der Kausalketten stehendes Wesen, denn wenn es innerhalb des Universums gedacht werden würde, wäre die Berechnung der Zukunft aus mathematischen Gründen nicht möglich. Sonst würde die Berechnung der Zukunft dazu führen, dass das Ergebnis der Berechnung in den Kausalverlauf der Zukunft eingebunden wäre und Teil der Ursachenkette wäre. Um die Zukunft für den Zeitpunkt nach Erhalt des Rechenergebnisses zu berechnen, müsste man also das Ergebnis der Berechnung selbst in die Berechnung aufnehmen. Man spricht hier von einer „rekursiven Berechnung“, von einer Endlosschleife. Die Berechnung wäre also auch theoretisch unmöglich, wenn man sich den Dämon nicht außerhalb der Kausalketten denkt.

Hätte Laplace aber sagen können, dass man aus einem Zustand des Universums einen weiteren Zustand berechnen könnte? Dazu müsste man natürlich wissen, wie sich das Universum verändert, man muss also gewisse Gesetzmäßigkeiten erkennen, die aus einzelnen Momentbetrachtungen nicht unbedingt erkennbar sind.

Genügt ein einzelner Zustand zur Berechnung? Korrekt reicht nicht ein Zustand in einem Zeitpunkt, sondern es müssen mindestens zwei wenn auch noch so kurz aufeinanderfolgende Zeitpunkte betrachtet werden, da ansonsten das Bewegungselement nicht enthalten ist und auch nicht nachvollzogen werden könnte. Problematisch wäre hier, wie kurz aufeinander die Zustände folgen müssten: Betrachte ich zwei Momentaufnahmen mit Zeitangabe eines Autos auf der Autobahn, die 1 Sekunde auseinander liegen, kann ich vielleicht noch grob berechnen, wo sich das Auto eine weitere Sekunde später befinden wird. Liegen zwischen den Aufnahmen 10 min, ist daraus schon keine Berechnung mehr möglich. Idealerweise müssten also die zwei Momentaufnahmen des Universums einen möglichst geringen Zeitraum aufeinander treffen. Je kleiner der Zeitraum, um so genauer die Berechnung. Da zur Betrachtung der Bewegungselemente aber immer zwei Aufnahmen erforderlich sind, bleibt immer ein wenn auch noch so kleiner Zeitraum zwischen den Betrachtungszeitpunkten, der immer einen Ungenauigkeitsfaktor enthält. Auch daraus ergibt sich, dass eine 100% korrekte Berechnung nicht möglich ist. Eine Genaue Berechnung könnte es nur dann geben, wenn auch die Zeit quasi in Quanten vorliegen würde.

Der Hinweis des Marquee de Laplace auf die Berechenbarkeit hat viel zum Verständnis der Kausalität beigetragen, wenn er auch im Detail Defizite aufweist.

Auch bei der Betrachtung instabiler Lagen zeigt sich, wie wichtig eine Gesamtbetrachtung ist.

Die Beschreibung des Determinismus nach der Ausgangsdefiniton wird von der Rechenproblematik allerdings nicht betroffen.

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